Neue Orgel Baindt
DISPOSITION
PEDAL
Principalbass 16′
Subbass 16′
Octavbass 8′
Gedecktbass 8′
Choralbass 4′
Posaune 16′
Trompete 8′
I – Ped
II – Ped
HAUPTWERK
Bourdon 16′
Principal 8′
Flöte 8′
Dulciana 8′
Gamba 8′
Dolce 4′
Octave 4′
Rohrflöte 4′
Quinte 2 2/3′
Superoctave 2′
Mixtur IV 1 1/3′
Trompete 8′
II – I
II – I elektrisch
II – I 16‘
II – I 4‘
SCHWELLWERK
Hornprincipal 8′
Liebl. Gedeckt 8′
Salicional 8′
Schwebung 8′
Princpial 4′
Gemshorn 4′
Nasat 2 2/3′
Blockflöte 2′
Terz 1 3/5′
Gemsquinte 1 1/3′
Mixtur V 2′
Trompete harm. 8′
Oboe 8′
Tremulant
II – II 16‘
II – II 4‘
Udo Rüdinger, Bischöflicher Orgelsachverständiger
Die „neue-alte“ Orgel in Baindt – was steckt dahinter?
Was macht sie so besonders?
Die seitherige Orgel war vor allem wegen der sehr mangelnden Zugänglichkeit der wartungsintensiven, ungünstig aufgestellten pneumatischen Kegelladen zu hinterfragen. Dazu kam, dass fünf der vierzehn Register des zweiten Manuals und drei der Register des Pedals (von fünf insgesamt) nicht am selben Ort wie die anderen standen. Nur bei günstigen Temperaturverhältnissen waren diese Klangfarben zusammen befriedigend nutzbar, die meiste Zeit aber hat deren Stimmung aufgrund der Aufstellung in unterschiedlichen Höhen (= unterschiedlich warme/kalte Luft) allein aus rein physikalischen Gründen nicht zueinander passen können. Die elektrische Steuerung, pneumatisch weitergeführt, hatte nicht nur eine gewisse Verzögerung in der Tonauslösung zur Folge, sondern zahlreiche defekte Lederbälgchen (jede Pfeife hatte ihr eigenes samt Ventil) ließen zahlreiche und zunehmend mehr Töne verstummen – aufgrund der schlechten Zugänglichkeit teils für sehr lange Zeit. Faszinierend hingegen war der Klang der meisten Register! Die Baindter Orgel vereinigt Klanggut aus vier Epochen: zwei Register aus der Zeit vor dem 19. Jh. (weite Teile der Oktave 4‘ und die Rohrflöte 4‘ – origineller, singulärer Klang! – des Hauptwerkes), weitere sechs Register von Wilhelm Blessing (Esslingen) aus der Mitte des 19. Jh. (zwei Drittel der Dulciana 8‘ des Hauptwerkes; Hornprincipal 8‘, Salicional 8‘, Gemshorn 4‘ und Dolce 4‘ des Schwellwerkes und der Subbaß 16‘ des Pedals), drei Register von 1936 – Fa. Reiser/Biberach (Bourdon 16‘ und Flöte 8‘ im Hauptwerk, Lieblich Gedeckt 8‘ im Schwellwerk, sowie Teile des Principal 8‘ im Hauptwerk). Alle weiteren Pfeifen stammen vom Umbau 1963. Besonders der Zusammenklang der Grundstimmen zu 8‘ zeichnete sich durch einen einmaligen Verschmelzungsgrad und sehr hohe Farbschönheit bei weicher Tongebung aus. Lediglich Flöte 8‘ und Bourdon 16‘ im Hauptwerk litten an einer gewissen „Unterspanntheit“, daher rührend, dass sie 1936 auf höherem Winddruck standen und somit deren einstige Leuchtkraft und Klarheit vermissen ließen, diese aber wiedererlangen sollten. Der hohe Anteil historischer Pfeifen, darunter ganze Register von Wilhelm Blessing, legten den Entschluss nahe, sämtlich vorhandenes Pfeifenwerk zu erhalten, dies neu zu organisieren, einen stimmigen Zusammenhang herzustellen, behutsam zu ergänzen (prinzipalische Quinte 2.2/3‘ im Hauptwerk, kräftige Trompete 8‘ und zarte Oboe 8‘ im Schwellwerk) und die problematische seitherige Technik durch zuverlässige mechanische Schleifladen zu ersetzen, auf denen die ältesten noch vorhandenen Pfeifen einstmals gestanden haben. Gekrönt wird das Werk von einem zum Raum und dem kunstvollen Gewölbe passenden neuen Prospekt (Schauseite der Orgel) mit zeitgemäßer, die Farbigkeit des Westfensters aufgreifender, moderater Farbfassung (Idee: Pfarrer Staudacher). Lediglich stark holzwurmbefallene Pfeifen und solche, deren übermäßig kleine Stimmrollen abgebrochen sind oder abzubrechen drohten (konstruktionsbedingt ungute Stimmhaltung) wurden durch neue ersetzt und auf Länge geschnitten (dies betrifft vor allem die kleinen Mixtur- und Scharf-Pfeifen, jetzt mit sehr guter Stimmhaltung). Die raumfüllenden großen Principalstimmen zu 16‘ und 8‘ fanden – trotz Baumaterial Zink – wieder Verwendung im Pedal aufgrund ihrer immer schon überzeugenden Wirkung.
Der formschöne, die Schwünge des Gewölbes aufnehmende Spieltisch hat rein mechanische Verbindungen von jeder Taste hinein ins Orgelinnere zu den Pfeifen. Die Mechanik gibt – im Gegensatz zur vorherigen Elektrik und Pneumatik – dem Spieler exakt Rückmeldung, wann sich die Ventile öffnen, erlaubt deshalb rhythmisch sicheres Spiel und ermöglicht eine bewußte Auslösung und Gestaltung der Töne. Da das Amt des Organisten und Chorleiters vielerorts – so auch in Baindt – in Personalunion ausgeübt wird, wurde der Spieltisch in Brüstungsnähe mittig auf der Empore aufgestellt mit Blick zur Orgel – und damit zum Chor, der den dirigierenden Organisten seinerseits buchstäblich im Blickfeld hat. Um das Instrument in Gottesdienst und Konzert abwechslungsreich bedienen zu können, wurde eine zeitgemäße Setzeranlage installiert, die es ermöglicht, zahlreiche Registrierungen im Vorhinein einzuspeichern und bei Bedarf abrufen zu können. Das alte Instrument hatte allein hier extrem enge Grenzen gesteckt. Besonders die ersten zehn Minuten eines normalen Sonntagsgottesdienstes mit Einzugsstück, Vorspiel zum ersten Lied, Gemeindebegleitung dieses Liedes, Vorspiel zum Kyrie, Begleitung des Vorsängers und der Gemeinde im Wechsel, Vorspiel zum Glorialied und Begleitung dessen, machen diese Anlage ab einer Orgelgröße von mehr als 25 Registern aufgrund der Anforderungen in unserer heutigen Liturgie erforderlich. Klangfarben zur Chorbegleitung können in Proben weit vor dem Gottesdienst bereits festgelegt und ohne Hilfe Dritter im Gottesdienst genutzt werden. Dasselbe gilt analog bei der Vorbereitung von Konzerten für Orgel allein oder mit Soloinstrumenten und/oder -sängern. Das Hauptwerk der Orgel, mit dem hauptsächlich die singende Gemeinde begleitet wird, steht prominent oben rechts und links des Westfensters und erreicht den Kirchenraum am direktesten. Das Schwellwerk, dessen Jalousien vom Spieltisch aus geöffnet und geschlossen werden können, steht ebenerdig unter dem Westfenster und strahlt seinen Klang vor allem ins Gewölbe ab. Dies reflektiert den Klang direkt auf die Empore und wird somit vom Chor bestens gehört, der vorwiegend von diesem Werk begleitet wird. Eine andernorts oft anzutreffende direkte und damit auf der Empore „laute“ Beschallung ist somit umgangen. Bei teilweise oder ganz geschlossenem Schweller entsteht für den Zuhörer im Kirchenraum zudem ein geheimnisvoll entrückter Klangeindruck, der aufgrund des reichlich vorhandenen romantischen bzw. romantisch inspirierten Klanggutes gewollt ist und aufhorchen läßt. Die neue, kräftige Trompete verleiht dem Schwellwerk (und damit auch dem ganzen Instrument) feierliche Größe und schmetternde Kraft, die „bändigbar“ und damit vielfach einsetzbar ist (Jalousien). Koppelmöglichkeiten in Normallage, eine Oktave höher und/oder tiefer in sich oder zum Hauptwerk hin, verleihen dem Schwellwerk eine sehr hohe Eigenständigkeit bzw. ergänzen das Hauptwerk spürbar in allen dynamischen Stufen, ohne dass weitere Register /Pfeifen eingebaut werden mussten. Um dem Plenum der Orgel genügend Tragkraft nach unten geben zu können, musste das seitherige, recht zarte Drehdeckel-Fagott 16‘ im Pedal zugunsten einer vollklingenden Posaune 16‘ aufgegeben werden. Die erforderliche Pedal-/Baßwirkung wäre anders nicht zufriedenstellend zu erreichen gewesen.
Mit Orgelbaumeister Wiedenmann und seinen Mitarbeitern konnte eine Firma gefunden werden, die die Situation in Baindt bestens erkannt hat und kreativ mit dem Vorhandenen umzugehen wusste. So wurde – neben vielem anderen – z.B. auch der Gestaltung des Korridores (Innenflächen der Orgel) zum Westfenster hin künstlerische Aufmerksamkeit geschenkt. Sehr überzeugend wurde auch die Zugänglichkeit des im status quo verbliebenen Zugangs zum Dachstuhl (leiterartige Treppe an der Nordwand) über den rechten Unterbau der Orgel gelöst, wo auch „Laien im Orgelbau“ durch das Instrument zum Dachstuhl gehen können, ohne dass gleich ein Schaden entstehen müsste (wenn der Weg etwa vorbei an kleinen Pfeifen oder empfindlicher Technik führen würde). All dies, zusammen mit der bei Firma Wiedenmann landesweit bekannten generellen Qualität, hat zu einem ausgesprochen interessanten Instrument geführt, das das Vorhandene respektiert und sinnvolles Neues daraus entwickelt hat. Der Gemeinde und ihren Organisten wünsche ich echte Freunde beim Lob Gottes in Gottesdienst und Konzert, verbunden mit Dank für den Mut und die Weitsicht, die Orgelfrage nach doch langer Vorbereitungszeit nun nachhaltig und sinnvoll gelöst zu haben. Dem Orgelbaumeister und seiner Belegschaft ist für deren verlässliche, gute, inspirierte und gleichzeitig respektvolle Arbeit besonders zu danken!
Ravensburg, im Oktober 2019
Udo Rüdinger
Bischöflicher Orgelsachverständiger
Die neue Wiedenmann – Orgel in der Pfarrkirche St. Johannes Baptist zu Baindt
Die vorgegebenen räumlichen Verhältnisse in St. Johannes Baptist zu Baindt waren von Anfang an eine Herausforderung an den Orgelbauer. Galt es hier auf begrenzten Platzverhältnissen eine optimale und wartungsfreundliche Orgelanlage zu planen und zu realisieren. Um genügend Platz für den Chor zu erhalten, wurde der Unterbau des Instrumentes in der Tiefe so gering als möglich angelegt. Das Hauptwerk wurde deshalb in C- und Cs- Seite aufgeteilt und ist direkt hinter den Prospektpfeifen platziert und ragt somit über den Unterbau heraus. Den Prospekt (Ansicht der Orgel) haben wir bewusst modern gehalten, um einen Akzent in dem Raum zu setzen. Sehr viel Glück hatten wir auch bei der Farbfassung des Gehäuses. Herr Pfarrer Staudacher hat sich sehr viele Gedanken mit dem Farbenspiel des rückwärtigen Fensters zum Gehäuse mit seinen Prospektpfeifen gemacht und farblich sehr gut realisiert. Das neue Orgelwerk arbeitet nach dem Prinzip der mechanischen Schleiflade. So werden vom freistehenden Spieltisch sämtliche Befehle, die der Organist über Tasten an die Windladen gibt, mittels Gestänge, Wellen und Winkel weitergeleitet. Die Zuverlässigkeit und Präzision mechanischer Trakturen sind nach wie vor unübertroffen. Der erhebliche Aufwand, der für eine präzise Mechanik betrieben wird, rechtfertigt sich durch die musikalischen Möglichkeiten, die dem Organisten dadurch zur Verfügung gestellt werden. Die geringen Instandhaltungskosten und die praktisch nahezu unbegrenzte Lebensdauer zeigen uns die überkommenen Orgeln des Barockzeitalters. Als Spielhilfe für den Organisten wurde eine Setzeranlage eingebaut. Hierdurch besteht die Möglichkeit, verschiedenste Registerkombinationen zu speichern und per Knopfdruck wieder abzurufen.
Bei Ihrem Instrument war von vorneweg klar, dass die historischen Pfeifen (von Blessing und früher, teilweise auch vom letzten Umbau) übernommen und in das neue Instrument integriert werden. So haben wir hier sehr viel an vorgegebenem Klangmaterial und es ist nun die Kunst des Intonateurs, die neuen Pfeifen so in das Klangbild einzubinden, dass das Instrument einheitlich und geschlossen erklingt. Das Instrument ist ausnahmslos aus hochwertigsten Materialien in sorgfältiger handwerklicher Ausführung hergestellt. Dies ist Voraussetzung dafür, dass diese Orgel lange Zeit zur Freude der Menschen und zum Lobe Gottes erklingen kann. Wir danken dem daran beteiligten Personenkreis für die vertrauensvolle und reibungslose Zusammenarbeit und wünschen der katholischen Kirchengemeinde Baindt mit Ihrer Orgel für viele Jahre hindurch Gotteslob, Freude und Erbauung.
Eduard Wiedenmann
Orgelbaumeister